Besondere Ereignisse:
Im Laufe der vielen Jahre gibt es natürlich auch immer wieder besondere Ereignisse im Dorfleben, die aktuell Aufsehen hervorrufen, aber mit der Zeit verblassen und vergessen werden. Wir haben in alten Schriftstücken etliche „Besonderheiten“ gefunden, die wir hier gerne wiedergeben wollen, deren damalige Bedeutung wir aber wohl nicht mehr richtig ermessen können.
Diese Rubrik soll auch weiterhin ergänzt werden; ab und zu mal nachschauen lohnt sich bestimmt.
1578: Tod von Johannes Zimmer aus Stornfels
Seit nun einem halben Jahrhundert gibt es Streit um den genauen Verlauf der Grenze zwischen dem hessischen Amt Stornfels und der Grafschaft Solms Laubach. Die Armut der Bauern auf beiden Seiten trieb sie, darauf zu achten was ihnen gehört und wo sie Nutzungsrechte hatten. Einen Höhepunkt erreichte der Streit, als Johannes Zimmer am Grenzrand im Wald auf einem Baum saß und einen dürren Ast abschlug um selbigen als Brennholz zu nutzen. Er wurde dabei von „Laubachischen“ gesehen, die aber der Ansicht waren, dass es ihr Baum sei und haben Johannes Zimmer „mit Gewalt angegriffen“ und ihn ins Gefängnis nach Lich gebracht. Dort hätten
sie ihn nicht geschlagen, aber doch dermaßen gestoßen, dass er, als er wieder zu hause war, sich „solcher Stoße halber beklagt, schwach worden und innerhalb 14 Tagen verstorben ist“. Dies gab erhebliche Unruhe in der Bevölkerung, die bis zum Landgrafen vordrang. Der Landgraf warf nun dem Laubacher Grafen vor, dass in der Zeit als das Amt Stornfels an den Solmser Grafen verpfändet war „die alten Steine, so die alte und rechte Grenz gewesen, ausgeworfen wurden und deren etliche gar verloren gingen“. Dadurch seien diese Übergriffe erst zustande gekommen. Erst 1585 wird die alte Grenze im Beisein des Landgrafen und des Laubacher Grafen wieder geregelt und es erfolgte eine ergänzende Aussteinung. Ein Grenzstein mit dieser Jahreszahl ist noch erhalten.
1583: Pfarrer Meissner muß gehen
Schon 1577 schreibt die Gemeinde Ulfa einen Brief an den „Edler Ehrnvester grosgünstiger Her und Jungker“, in welchem sie mitteilt, dass sie schon Herrn Johann Becker, den Superintendenten zu Nidda, wegen des „unnachlässigen bösen Wandels und Lebens“ unseres Pfarrer Andreas Meissner informiert und um Abhilfe gebeten habe. Dieser hatte jedoch nur seinen Diener geschickt um „den Augenschein einzunehmen“. Pfarrer Meissner brachte es aber fertig, sich mit dem Diener in der Wirtschaft zum Zechen niederzusetzen und in der Folge änderte sich nichts. Nun war es aber genug, der Pfarrhof war verwüstet, in die Pfarrscheune regnete es, die Früchte verdarben, das Scheunentor war kaputt und vieles mehr. Aber auch dieses mal änderte sich nichts und die Last der Wiederherstellung hatten die Bürger zu tragen. Erst im Jahre 1583 verlässt Pfarrer Meissner „freiwillig“ Ulfa. Der Schultheiß schrieb später „hat wohl wegen Mißfälligkeiten mit der Gemeinde (Schuldenhalber) seinem Amt freiwillig entsagt“.
1621/22: Abendmahlkelch wird geraubt
Das Braunschweigische Kriegsvolk unter Christian von Braunschweig zog plündernd und mordend durchs Land und verschonte auch Ulfa nicht. 1621 haben sie in unserer Kirche den Kirchenkasten und die Stühle zerschlagen, Geld, Kelch, Patenen, Altar- und Tauftücher geraubt. 1622 kamen sie von Alsfeld über den Vogelsberg, nahmen Schotten und Nidda ein und plünderten die umliegenden Dörfer bevor es Richtung Wetterau weiterging. Neben den erlittenen körperlichen Leiden schädigten sie die Ulfaer Bürger durch Raub und Brandschatzung mit einem Betrag von 4.787 Reichstalern.
1635: Kirchenbücher wurden verbrannt
Die Kirchenbücher mit den Eintragungen zu Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen für Ulfa und Stornfels beginnen mit dem Jahr 1636. Im Jahre 1635 lagerten und plünderten bis Ende Mai die Kaiserlichen Soldaten unter Mansfeld hier, dann kamen die Spanier unter General Collorado. Bei diesen Raubzügen wurden auch unsere Kirchenbücher verbrannt und damit waren alle Angaben zu Personen verloren. Eine amtliche Personenregistratur (Standesamt) gab es nicht.
1640: In Ulfa wird wieder gemordet und geplündert
Der 17. September d. J. war ein schlimmer Tag für die Bewohner von Ulfa und Stornfels. Die Kaiserlichen und Bayerischen Truppen wüteten hier in schrecklicher Weise. In Ulfa wurden 30 und in Stornfels 9 Menschen ermordet, ganze Viehherden (z.B. 180 Schweine, 18 Kühe) weggetrieben, Nahrungsvorräte und Geräte geraubt oder zerschlagen. Der Schaden belief sich in Ulfa auf 5.982 Reichtaler und in Stornfels auf 2.002 Reichstaler. Welchem Wert (Kaufkraft) dies heutigem Stand entspräche ist wegen der früheren unterschiedlichen Münzprägung (Gewicht, Silbergehalt) schwer zu bestimmen. Der Wert eines Talers von 1810 entspräche heute (2019) etwa 40 Euro. Würde man auf dieser Basis umrechnen, käme man auf einen Schadensbetrag von 239.280,- bzw. 80.080,- Euro. Da aber zwischen 1640 und 1810 = 170 Jahre vergangen sind, wird der Schaden in der Kaufkraft also noch höher gewesen sein.
1647: Ulfa war ohne Bewohner
Der 30-jährige Krieg war immer noch nicht zu Ende und auch in Ulfa hatte die Soldateska wieder gewütet. Üblicherweise war an Pfingsten immer die Konfirmation gewesen, aber in diesem Jahr war das nicht möglich und konnte erst drei Wochen später erfolgen. Der Pfarrer hat notiert:
„Diese Personen sind 3 Wochen nach dem Hl. Pfingstfeste comuniciret, weil inferior Hassiaca hier also gewütet, das am hl. Fest kein Mensch in Ulf hadt wohnen können.“
1671 Räderung - Richtstätte Radberg
Der „Radberg“ in unserer Gemarkung mutet schon immer mit seiner uralten Linde und dem freien Platz auf der Höhe etwas geheimnisvoll und mystisch an. Seinen Namen hat er wohl daher, dass sich hier eine alte Richtstätte befand, wo verurteilte Verbrecher durch Rädern oder Erhängen hingerichtet wurden. Früher wurde der Radberg von Älteren gelegentlich auch „Galgenberg“ genannt, was die alten Überlieferungen unterstreicht. Die letzte bekannte Hinrichtung fand im Jahre 1671 am Radberg statt als ein ganz besonders schlimmer Fall die ganze Umgegend aufgeregt hatte:
Seit gut zwanzig Jahren war nun der 30jährige Krieg mit seinen Greuel und seinem großen Leid zu Ende. Das ländliche Leben begann sich mit all seinen Schwierigkeiten wieder zu normalisieren, als die Bewohner der Umgebung durch einen dreifachen Mord in Langd in Aufregung und Furcht versetzt wurden. Der damalige Pfarrer von Langd, Christian Fuchs, der von April 1655 bis Dezember 1675 dort diente, hat die damaligen Ereignisse wie folgt aufgeschrieben:
„Anno 1671, den 28. Februar sind christlich und mit volkreicher vollständiger Versammlung begraben worden
Catharin, des alten Schulmeisters Deucher Witwe und Catharin, des jungen Schulmeisters Witwe, wie auch die alt Böcher Els, die ledige Magd
welche vorigen Sonntag morgens zur Nacht, mörderlicherweise in ihren Betten sind erschlagen und jämmerlich zermetzelt und ermordet worden. Und ist von dem Kind des jungen Deuchers als dem Täter und Mörder angezeiget, auch von der alten Deucherin der Schulmeisterin bejaht worden auf ihrem Todbett, Henrich Deucher, Peter Deuchers Sohn, welcher schon anno 1664 des Schulmeisters Geld unter der Vesperpredigt gestohlen hat, und also auch um des schnöden Geldes willen mit samt seinem Anhang, diese so grausame Mordtat begangen, dergleichen bei Menschengedenken und in Historien nicht zu finden, daß Leute so jämmerlich und grausam zermartert worden sind:
1) zu Friedenszeiten
2) in ihren eigenen Häusern
3) auf ihrem Lager
4) im Schlaf
5) in der H. Sonntags Nacht
6) von dem nächsten Blutsfreund und
7) zweifachen Gevattern
Er, der Mörder hat sich selbst durch die Flucht auch schuldig gegeben. Ach Gott, laß ihn in die Hände der Obrigkeit kommen, daß die Sancta Justitia, anderem Tun abscheulichen Exempel, an ihm gebührendermaßen möge exequiret und vollzogen werden.“
Erklärt sei an dieser Stelle, dass Henrich Deucher (der Mörder) ein Sohn von Peter Deucher, dem Hofmann zu Graß bei Hungen, war. Peter Deucher war der Bruder zu dem alten Schulmeister Johannes Deucher, der bereits am 26.2.1665 in Langd begraben wurde und somit der Onkel von Henrich Deucher. Auch der Sohn des alten Schulmeisters, Johannes Deucher II. war nicht lange vor dem Tatzeitpunkt, nämlich am 21. April 1670 in Langd begraben worden. Da die Witwen der beiden Schulmeister wohl alleine mit einer Magd in dem Schulhaus lebten, kann gemutmaßt werden, dass dies den Täter zu seiner Tat ermutigt hat. Henrich Deucher hat also seine Tante und die Frau seines Cousins sowie deren Magd umgebracht. Die Tochter seines Cousins hat ihn gesehen und dies vor Gericht bestätigt.
Henrich Deucher war vorher schon ein richtiger Taugenichts. Sein am 29. Sept.1669 in Langd geborenes uneheliches Kind hat er verleugnet und die Vaterschaft heftig abgestritten. Anna Kratz, die Kindesmutter, war eine Magd bei dem Keller (herrschaftl. Verwalter) in Langd und wurde als „zweimal ausgestrichene und des Landes ewig verwiesene Schandhure“ bezeichnet. Deucher leugnete selbst noch vor dem Amtmann in Nidda, dem Metropolitan, sowie vor Pfarrer und den Kirchenältesten die Vaterschaft und wurde daraufhin am 27. März 1670 „ledig“ gesprochen. Hätte er die Vaterschaft zugegeben, wäre er nach damaligem Recht zwangsweise verheiratet worden.
In der „Längder Kastenrechnung“ sind Ausgaben im Zusammenhang mit dem Mordfall aufgeführt: „6 Albus verzehrt als Pfarrer und Seniores nach Nidda zu der Obrigkeit citirt worden, Kundschaft über Peter Deucher, seinen Anhang und Sohn auszusagen“ sowie ein zweites mal auch „6 Albus, Pfarrer und Seniores, als sie zum andermal nach Nidda citirt worden“. Die Kirchensenioren waren zu dieser Zeit Hans Becker (auch als Zöllner erwähnt), der in zweiter Ehe mit der Tochter des Pfarrers verheiratet war und Hans Georg Schütz. Die ermordete junge Schulmeisterwitwe war die Tochter von Hans Becker aus I. Ehe.
Der Mörder Henrich Deucher war nach der Tat 13 Tage lang auf der Flucht bevor er in Lanzenhain gefasst wurde. Er wurde verurteilt und am 11. April 1671 „bei Ulfa auf der hohen Straße auf das Rad gelegt“. Wörtlich heißt es:
„Den 11. April ist Henrich Deucher ein 5 ½ Wochen gefangener Mörder, öffentlich etlichen tausend Menschen
1) als ein 3-facher Hauptmörder
2) als ein Blutschänder
3) als ein Ehebrecher und großer Hurer
4) als ein Dieb
5) als ein großer Zauberer
vorgestellt und zum Tode verdammt, auch justifiziert worden, daß man ihn
1) an vier unterschiedlichen Orten seines Leibes mit glühenden Zangen gepfätzet
2) von unten an bis oben auf geradbrecht und
3) an den Grenzen des Rabertshäuser und Ulfer Feldes zum Tod gelegt.“
Wegen des großen Aufsehens in der ganzen Gegend hat auch der Pfarrer von Wallernhausen im Kirchenbuch eingetragen: „Anno 1671, den 28. Februar in der Nacht sind 3 Weibspersonen zu Langd im Gericht Rodheim jämmerlich mit einer Axt von ihrem Blutsfreund Henrich Deucher, bürtig aus Langd, aber damals wohnhaft zu Nidda in der Raune, ermordet worden, welcher zuvor 13 Tage flüchtig gewesen aber doch endlich zu Lanzenhain handfest gemacht und den 11. April mit glühenden Zangen viermal gepetzt, von unten herauf gerädert und bei Ulfa auf der hohen Straße auf das Rad gelegt worden. Die Execution ist vollzogen worden zu Nidda über der Krötenburger Mühle.“
Die hohe Straße verlief damals von Glaubzahl kommend durch den Harbwald/Rabertshäuser Wald, weiter auf der Höhe zwischen Ulfa und Rabertshausen entlang und aus Ulfaer Sicht hinter dem Radberg hinab auf die heutige Langder Straße. Danach führte diese am Kirchberg und Katzenberg vorbei zur Hungen-Schottener Strasse. Wie oben berichtet, wurde die Execution über der Krötenburger Mühle vollzogen. Dies bedeutet wohl, dass Deucher nach dem Rädern nicht gleich tot war und die Execution dann erst in Nidda vollzogen wurde.
1692 – Erdbeben in Ulfa
„Den 8ten Septembris /:war der zweyte Kirchweyh Tag:/ ist allhier zu Ulff auch das allgemeine Erdbeben so starck gespüret worden, daß dießes neue Pfarrhaus fast eine halbe Stund lang so mercklich und empfindlich beweget, daß uns alle, so weil unßer auf der Ober-Stube zu Tische saßen, dauchte, wir saßen in einer Schockeli, so starck wackelten unsere Stühle. Auch schlug der Wind, so bey des Erdbebens Anfang sich erhub, die Flügel an den Fenstern zu. Gott seye uns, und dem gantzen landt gnädig.“
1692 – Starkregen in Ulfa
„Den 9ten Decembris hat sich auf einen vorhergegangenen kurtzen Regen, welcher doch ungemein starck war, auch allhier zu Ulff das Wasser so starck ergossen, daß die Vertriebene Waldenser, so in der Raun in dem Hirtenhaus wohnte, desgleichen auch Anthonius Muth der Schweinhirt, welcher neben ihnen wohnte, wie nicht weniger Johann Jacob Pfeils Haußfrau mit ihren Kindern so starck um Hülfe geschryen und lamentiert, daß ich selbsten mit meiner Nachtbarin Margaretha, Joh. Peter Haaßen Ehel. Haußfraw, welche aber bey meiner frawen Minna war, hingelaufen und selbige sich zu letiriren ermahnet. In der Nachtbarschaft zu Rodheim, wie auch zu Eygelsdorf sind denselbigen Abend viel Schaaffe und Rind-Viehe in den Ställen ersoffen, und in denen Scheuren-Viertheile viele Früchte durch das Gewäßer verdorben.“
1696 – Actum Ulff am 6.ten. Octobris ao 1696
(wie im Original geschrieben)
Nachdem Elisabetha Dietzin von Euchelnhain am 2.ten.Octobr. Abends zwei Uhr ein Huren-Kindt zur Welt gebohren, und nicht allein bey der Geburth gegen die Hebamme auff Hanß Georgen, Johannes Fritzen vulgo des Spaniers Sohn offentlich bekannt, sondern auch durch Clara Conrad Lößers el. Wittib, ihre Baaße, welche die Tauffe für die gebohrene junge Tochter an mich begehret, obgemeldter Hanß Georgen zum Vatter dießes Kindes außdrücklich und beständig angegeben, habe ich obgesetzten Dato denselben für mich citiren lassen, welcher aber auff die, Kraft meines Amtes ihm fürgehaltener Beschuldigung, und alles was ernstliches und gewissenhaftes Erinnern und Zuspruches dennoch bey dem beständigen Nein verbleibet, und seine Unschuld durch das Recht mit ihr außzuführen sich fürbehalten.
Der Taufeintrag lautet:
Den 6ten Octobr. ist getauft Anna Kunigunda, Elisabetha DietzinBastart oder Huren-Kind, welche sonsten von Igelnhain auß dem RTiedesel. land bürtig ist, und nachdem sie allhier zu Ulff gedienet, und schwanger worden, vor und nach der Geburth Hanß Georgen, Joh. Fritzen, vulgo des Spaniers, Sohn zum Vatter diesßes unehelichen Kindes angegeben. Ob es nun seye wird die Außführung diesßer Sache fur dem Hochfürstl. Consistorio redlich dociren.Indeßen ist bei dieser Tauff Anna Kunigunda, Joh. Jacob Pfeils sel. hinterlaßene Tochter, Gevatterin geweßen.
Actum Ulff Ipho Simonis et Juda
Als vorbemeldte Elisabetha Dietzin am 26. Octobris wieder auß deren Wochen gangs, ist selbige jetztgemeldte dato von freyem zu mir kommen, auf obbesagter Hanß Georg Fritzen nochmals offentlich bekannt, daß selbiger Ipho Circumechionis Abends in seiner Schwester Even, ahn Hans Georg Krebasten Hauß, unten in dem außährn, sie imprägniret, auch nachmals sie noch oft, wann er mit ihr auß deren Spinn-Stube heimgegangen, zu dießem bößen Willen mißbrauchet, und Er also, und kein anderer ihres Kindes Vatter seye, deswegen sie bitte und begehre, daß sie beide bey öffentl. Kirchen- Convent furgenommen, und die Sache ihrem Verdienst nach möge ausgemacht werden.
Anno 1698 – Kirchenbuße Elisabetha Dietz
Anno 1698, Dominica Reminiscere hat Elisabetha, Valentin Dietzen Tochter von Euchelnhain, zur Herrschafft Lauterbach gehörig, auf Verordnung des Hochfürstl. Consistorij, allhier offentliche Kirchenbuß gethan, darum, daß sie, nach beständiger ihrer Bekantnuß und Aussage, von Hanß Georgen, Johannes Fritzen, vulgo des Spaniers Sohn, welcher aber d. 25. Junij 1697 durch einen leibl. Eydt (ob es mit gutem oder bösem Gewißen geschehen? wird Gott wißen und zu seiner Zeit richten) von ihr sich loß geschworen, schändlich sich hat imprägniren laßen.
1724 – starkes Gewitter (Ki-Chronik, S. 123)
„Den 17ten Aug. Ist hier zu Ulff gegen abend ein starck gewitter gewesen, mit sehr hartem Donnerschlag, einem starcken wind, der viele bäume umgeworfen, und einem heftigen regen mit Kißeln, wodurch sich das waßer bey uns sehr ergossen, auch hat das wetter dazumal in einen birnbaum geschlagen. Dem Höchsten aber sey danck, der sonst mensch und Vieh, und die früchte auf dem lande gnädiglich behütet, er wolle auch ferner nicht mit uns handeln nach unseren Sünden, sondern gnädig seyn um Christi willen.“
1724 – starker Sturm (Ki-Chronik, s. 123)
„Den 4ten Decemb. ist des nachts um 10 Uhr ein starcker sturmwind, auß erstem hier bey uns gewesen, welcher in den wäldern großen Schaden gethan, auch auf den Häusern an den tächern, es ist ein gewaltiger wind gewesen, Doch hat Gott noch seine gnade sehen lassen.“
1825 – Mord an unserem Feldschütz
Sterbefall Nr. 8 / 1825 Christian Fuchs
(Originaltext)
Im Jahr Christi Achtzehn Hundert fünf und zwanzig den Neunten Junius /: den 9ten Junius 1825 :/ morgens früh um Ein Uhr starb Christian Fuchs, Ortsbürger und Feldschütz dahier. Er war am Siebenten desselben Monats abends gegen zehn Uhr an der Ecke der Mühlwiesgärten, am Fußpfade nach Stornfels von Meuchelmördern, die noch unbekannt sind, überfallen und am Kopfe so sehr mißhandelt worden, daß er am folgenden Tage mehrmals trepanirt werden musste. Bei der, mit ihm vorgenommenen, Section fand man den Kopf, besonders die Stirn so zerschlagen und zersplittert, daß die Verwundung für absolut letal erklärt wurde. Der Gemordete war alt Acht und Vierzig Jahre, Acht Monate, und fünf und Zwanzig Tage /: 48 Jahre, 8 Monate, und 25 Tage :/ und wurde, nach erlassener Dekretur Großherzoglichen Landgerichts, den Zehnten desselben Monats Nachmittags um Ein Uhr, unter dem Zulauf der ganzen Gemeinde, in deren Gegenwart eine Rede am Grabe gehalten wurde, christlichen Gebrauchs nach zur Erde bestattet. Träger waren Johann Philipp Lenz, und Johann Henrich Fleischer der Vierte, welche gegenwärtiges Protokoll nebst mir, dem Pfarrer, eigenhändig unterschrieben haben.
Henrich Fleischer 4 ter Johann Philipp Lenz Testor Welcker
1827: Mord an Forstaufseher Friedrich Ludwig Zimmermann
Sterbeeintrag Nr. 10 – 1827, Seite 322
Im Jahr Christi Achtzehn Hundert sieben und zwanzig, den Achten April /: den 8ten April 1827:/ Abends um Neun Uhr ward ganz nahe am Orte, in dem sogenannten Baumgarten, wahrscheinlich von Wilddieben durch einen Schuß auf der Stelle getödtet, Herr Friedrich Ludwig Zimmermann, Forstkandidat und seit einigen Monaten dahier angestellter Grosherzoglicher Forstmitaufseher, des Herrn Conrad Philipp Zimmermanns, Gräflich Solms-Laubachischen Wildbereiters zu Rupertsburg, mit weilnd Frau Johanetta gebohrenen Franz ehelich erzeugter lediger Sohn, alt Acht und Zwanzig Jahre, Eilf Monate, und Acht Tage /: 28Jahre, 11 Monate und 8 Tage :/ und wurde nach eingegangenem Erlaß des Grosherzoglichen Landgerichts Schotten vom Neunten April, daß der Beerdigung nichts im Wege stehe, den Zehnten desselben Monats Nachmittags um Vier Uhr, unter einer unzählbaren Leichenbegleitung, christlichem Gebrauche nach zur Erde bestattet in Gegenwart der beiden hießigen ledigen Burschn als Träger, Johann Georg Koch, und Johannes Lotz, welche gegenwärtiges Protokoll nebst mir, dem Pfarrer, eigenhändig unterschrieben haben.
Johann Georg Koch Johannes Lotz In fidem C. Welcker
1829: Pfarrer L. F. Münch hatte keine leichte Aufgabe in Ulfa
Im Sommer 1829 kam Pfarrer Münch nach Ulfa. In seinen Notizen schreibt er: „Die Gemeinde Ulfa war durch räuberischen Sinn vieler Familien, ferner durch tief gewurzelte Neigung zu den Freuden des Wirtshauses in sehr üblen Ruf gekommen“ und in die Amtszeit seines Vorgängers „fielen die schadhaftesten Verbrechen, der Übergang mehrerer Familien zu Wildieberei und Straßenraub und Neigung zu unmäßigem Branntweingenuß“ Dies ist nachzuvollziehen, betrachtet man die beiden vorstehenden Einträge. Weiter schrieb er: „Zu den übelsten Subjecten in Ulfa gehörten Joh. Peter Fritz III., vulgo die Schlange, welcher nach vieljähriger Haft im Marienschloß … nach Amerika ausgewandert ist. Daneben sein Bruder, der aus der Untersuchungshaft entwichen ist und später im Wald, von hinten in den Kopf geschossen, tot aufgefunden wird, ein weiterer Bruder, Johannes Fritz V., vulgo der lahme Fritz sowie Konrad Fleischer III., vulgo Nähter. Der lahme Fritz erhängte sich in der Obstdörre des Kirchenvorstehers hinter dem Pfarrgarten und der Nähter starb im Zuchthaus.“
Auch in dem früheren Bürgermeister Lotz hatte er keinen Unterstützer sondern eher einen Gegner. Pfarrer Münch zählte es „zu den unangenehmsten Erlebnissen in Ulfa“ als Lotz mit „arglistigem Verfahren“ bei der Verwandlung des Pfarrzehnten in eine Grundrente gegen ihn agierte.
1831: Der Mörder des Forstaufsehers stirbt im Gefängnis
Der Mörder des Forstaufsehers Zimmermann wurde ermittelt und zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Es handelte sich um den Sohn des früheren Schultheis des Dorfes, Johannes Stätzer, geb. am 31.8.1800 in Ulfa. Er gehörte einer Gruppe von Wilddieben an, denen der Forstaufseher auf die Schliche gekommen war und ihnen am Dorfrand aufgelauert hatte. Als der Aufseher sie zur Rede stellen wollte, wurde er erschossen. Der Mörder kam ins Gefängnis Marienschloß, heutige Justizvollzugsanstalt in Butzbach und verstarb dort am 30. Juni 1831. Nachfolgend die Todesnachricht an die Ulfaer Pfarrei:
„Abschrift eines Todtesscheins aus Marienschloß
Johannes Stätzer aus Ulfa, Landrathsbezirks Schotten, neun und zwanzig Jahre alt, lutherischer Religion, welcher durch Urtheil Grosherzoglich Hessischen Hofgerichts der Provinz Oberhessen, wegen Tödtung des Forstmitaufsehers Zimmermann zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurtheilt war, starb den dreißigsten Juni Ein Tausend Acht Hundert Ein und Dreißig, des Nachmittags um vier Uhr an einer Kopfrose.
Der Körper wurde den zweiten Juli des laufenden Jahres an das anatomische Theater in Giessen abgeliefert.
Marienschloß am 30. Juni 1831 Th. Strack Nispel
Pfarrer Verwalter
Vermerk:
Vorgemeldeter Johannes Stätzer ist des Philipp Stätzer, Ortsbürger und Sattlermeisters, auch vormaligen Schuldheisen und Kastenmeisters in Ulfa, mit Anna Margaretha, gebohrner Fuchs, ehelich erzeugter Sohn, im Jahr Achtzehnhundert, den Ein und dreißigsten August gebohren
LFMünch, Pf.“
1857: Reinhard B. verprügelt seine Frau
„Im Juli dieses Jahres war auf der Landwehrstraße ein großer Zusammenlauf. Am Abend um zehn Uhr prügelte dort Reinhard B. seine junge und brave Ehefrau, eine gebohrene Hofmännin. Die Frau entlief seinen Händen, floh durch die Gärten um Häuser und Scheunen herum, dann über die Straße
in das Haus der Johann Jost Schmitts Erben. Aber er eilte ihr nach und prügelte sie von Neuem. Da suchte sie ihren Kopf mit den Armen zu decken, und empfing im Dunkeln die Streiche dahin, bis sein Schwager Konrad Sch., der diesem Haus gegenüber in der Elmestraße wohnet, herbeieilte und das arme Weib befreite. Viele namhafte Bürger, auch der dermalige Schulvikar Johannes Diegel und alle Nachbarn haben das Skandalon vernommen. Als das Kind des Reinhard Baumbach geboren wurde, war es ohne Vorderarme und Hände und hatte nur zwei Daumen und einen Zeigefinger, wie dies im Geburtsprotokoll verzeichnet ist. Das Kind starb nach wenigen Wochen.“
Reinhard B. hatte in den letzten 10 Jahren etwa 100 Pferde gekauft und verkauft, war aber bei seinem Handel nicht erfolgreich, mußte seinen Hof und die Äcker verkaufen und wanderte nach Amerika aus. Dort hatte er auch kein Glück, lebte als armer Mann, der seine Miete nicht bezahlen konnte.
1859: Pfarrer Baist wird die Frucht auf dem Felde verdorben
Pfarrer Baist versuchte in dieser unruhigen Zeit die Bevölkerung zur Ruhe und einem maßvollen Lebenswandel zu bewegen. Er ging auf die Menschen ein, wollte den im Dorf teils vorhandenen schlechten Umtrieb eindämmen und sagte ihnen, was ihm nicht gefiel. Das wurde hier und da aber nicht gerne gehört und so gab es auch Leute, die nicht auf seiner Seite standen. 1859 hat man dann auf dem Felde die Seile zerschnitten, mit denen die Fruchtgarben zusammengehalten wurden. Die Frucht fiel auseinander und verdarb. Pfarrer Baist zeigt dies beim Amt an und so erging nachstehender Gerichtsbeschluß:
„In Untersuchungssachen wegen Eigenthumsbeschädigung.
Beschluß
Dem Ortsgericht zu Ulfa wird mitgegeben, die nachstehende Bekanntmachung in dem Orte 3 mal durch die Schelle bekannt machen zu lassen auch an dem schwarzen Brett anzuschlagen und wie geschehen binnen 4 Wochen zu berichten.
Bekanntmachung:
Dem Gr. Pfarrer Baist zu Ulfa ist auf seinem Acker in der Albach das darauf befindliche geerntete Korn boshafter Weise beschädigt nämlich: An 7 Haufen die Seiler entzwei geschnitten worden.
Es werden daher Alle, welche über den Täter Auskunft zu geben vermögen aufgefordert solche bei dem Ortsgericht zu Ulfa binnen 14 Tagen anzuzeigen, als sonst der verübte Schaden im Betrage von 6 Fl 38 Kr von den einzelnen Bewohnern von Ulfa beigetrieben werden wird.
Schotten den 26ten September 1859
Großherzogliches Landgericht Schotten“
1874: Pfarrer Baist wird seines Amtes enthoben
Seit 1868 hatte sich ein kirchlicher Streit um die neue Kirchenverfassung erhoben. Aus Glaubensgründen und wahrer Überzeugung war unser Pfarrer gegen die Einführung des neuen Kirchenrechts und ging mit großem Eifer dagegen an. Er war nicht der einzige Pfarrer, der dagegen anging, so auch Usenborn und Höchst bei Altenstadt. Sein Vorgehen brachte ihn natürlich bei den Vorgesetzten in Ungnade und brachte ihm viel Ärger und die Drohung der Amtsenthebung ein. 1874 wurde die neue Kirchenordnung dann doch eingeführt. Auch 210 Familienvorsteher aus Ulfa hatten mit ihm die neue Verfassung abgelehnt, während sich das zum Kirchspiel gehörende Stornfels „ganz ruhig war und sich Gesetz und Ordnung fügte“. Zum Zweck der Aktenübergabe kam am 8. März der Dekan aus Schotten mit dem nun eingesetzten Pfarrer. Am Ortseingang hatten sich schon Gruppen in der Absicht gebildet, dies zu verhindern. Zur „Aufrechterhaltung der Ordnung“ hatte sich dann auch die Gendarmerie eingefunden. Die Menge besetzte auf ein Trompetensignal den Pfarrhof und Bürgermeister Döll mußte „ernstlich“ zwei mal Ruhe gebieten, bevor sich die Menge verlor. Pfarrer Baist mußte die Akten herausgeben, hielt aber weiterhin mit seinen Anhängern Gottesdienste im Pfarrhaus und beerdigte auch deren Tote obwohl er dazu nicht mehr befugt war. Als jedoch das Glockengeläut anläßlich einer Kindesbeerdigung verboten wurde, „zogen die Renitenten mit Äxten und Schlagen vor die Kirche, hieben die Türe ein und bemächtigten sich der Glocken“. 24 Männer mußten später teils drei, teils vier Wochen ins Gefängnis.
Im Juni 1875 wurde er mit weiteren sechs Pfarrern des Amtes enthoben und mußte das Pfarrhaus innerhalb drei Wochen räumen. Er kam mit Familie bei Nachbarn unter und wurde von seiner Gemeinde unterstützt, was jedoch kein Dauerzustand war. Im Frühjahr 1875 verließ er Ulfa und zog nach Bayern, wo auch die Brüder seiner Frau lebten.
1875: Zwei tödliche Unfälle
In diesem Jahr ereigneten sich zwei tödliche Unfälle: Am 8. Juni Mittags um 12 Uhr starb Heinrich Schneider aus Ulfa, 18 Jahre alt als er in der Lehmkaute von Lehm überschüttet wurde. Ein zweiter Falle ereignete sich am 14. Juli, nachmittags um 15 Uhr, als Emma Jochim von Stornfels, 2 ¼ Jahre alt, in einem Wasserbehälter ertrank.
1880: Pfarrer brennt mit der Geliebten durch
„Am 16. Februar 1880 verließ der hiesige Pfarrer Julius R. seine Gemeinde und Familie und ging nach Amerika. Ein Verhältnis zu seinem Dienstmädchen neben seiner Frau hatte sein Verbleiben dahier unmöglich gemacht.“
1902: Die Gemeinde kauft den Gutshof (heute Edelhof u. Schule)
Mit Kaufvertrag vom 13. Oktober 1902 erwarb die Gemeinde Ulfa den Gutshof und den Landbesitz derer „von Harnier“. Der Gutshof bestand aus dem heutigen Edelhof sowie dem Grundstücksbereich Schule, Schulhof, Kriegerdenkmal und Bushaltestelle und war zur Straßenseite (Johannisplatz) mit einer fast 2 Meter hohen Mauer umfriedet; der heutige Schulhof war damals der „Hofgarten“. Das Grundstück „alte Schule“ auf der anderen Straßenseite gehörte ursprünglich auch zu diesem Besitz - die Gemeinde Ulfa hatte dieses aber bereits 1850 wegen des Schulneubaues von den Erben des Generals „von Prettlack“ erworben. Am 15. Oktober schloss die Gemeinde mit dem Pächter des Gutshofes, Konrad Hahn, einen Vertrag über die Ablösung seiner Rechte und Forderungen für Inventar, Pflanzungen usw. ab, wofür Hahn 16.000,- Mark erhielt. Bereits am 17. Oktober wurde das erworbene Ackerland bei der Burgwiese, ca. 4 Morgen, versteigert.
1904: Das Kriegerdenkmal am Johannisplatz wird eingeweiht
Am 3. Juli 1904 wird das Kriegerdenkmal auf dem Johannisplatz eingeweiht. Initiator war der Ulfaer Kriegerverein. Die Gemeinde hatte einen Zuschuss in Höhe von 400,- Mark gegeben, sich dafür aber das Recht eingefordert, den Standort des Denkmals bestimmen zu können. Das Denkmal ist den Teilnehmern des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 gewidmet. 37 Soldaten aus Ulfa wurden zum Kriegsdienst eingezogen – alle kehrten wieder zurück.
1911: Ulfas Wasserversorgung wird auf Leitung umgestellt
Die bisherige Wasserversorgung im Ort erfolgte über öffentliche und private Brunnen. Insgesamt gab es 96 Brunnen im Ort und einen außerhalb beim heutigen Schwaderborn. So weist es ein Ortsplan aus dem Jahre 1910 aus. Es war nun die Zeit gekommen, dass überall in den Ortschaften die Hofreiten und Häuser direkt mit einer Wasserleitung verbunden und mit Frischwasser versorgt wurden. Die Gemeinde Ulfa hatte sich an den Baukosten für Brunnen und Hochbehälter in Rainrod beteiligt und wurde mit an diese Leitung angeschlossen. Dazu mußte eine Leitung von Rainrod bis zum inzwischen gebauten Hochbehälter auf dem „Eichelsdorfer Berg“ gelegt werden, welche wie auch das neu errichtete Wasserwerk 1911 fertiggestellt wurde. Davon zeugt ein großer eingemauerter Basaltblock an der Frontseite des Ulfaer Wasserwerks. Von dort ging eine dicke Leitung nach Ulfa und wurde dort verzweigt. Ob nun auch schon 1911 alle Häuser in Ulfa an die Wasserleitung angeschlossen waren und wann genau das erste Wasser durch die Leitungen lief, konnte bisher noch nicht geklärt werden.
1913: Ulfa kommt ans Stromnetz
Im Jahr 1913 wurde Ulfa an das Stromnetz angeschlossen. Laut Leitungsplan von 1910 kam der Strom vom Elektrizitätswerk Lißberg, welches u. a. auch die Städte Schotten, Nidda und Grünberg versorgte. Der Versorgungsvertrag wurde mit der „Überlandzentrale Wölfersheim“ abgeschlossen. Sicher war der Bau der Strommasten über Land und der Ständer auf den Hausdächern eine Maßnahme, die viel Aufsehen erregte und sicher auch heftig diskutiert wurde. Es wurde auch nicht gleich in jedem Haus eine Elektroinstallation vorgenommen, schließlich kostete es Geld und man wusste ja nicht, was alles passieren kann. Diese Neuerung musste sich erst nach und nach durchsetzen.
1935: Pfarrer Flechsenhaar
Unser damaliger Pfarrer Günther Flechsenhaar gehörte mit seiner Kirchengemeinde zur „bekennenden Kirche“. Demzufolge wurden seine Predigten, wie anderswo auch, von staatlicher Seite überwacht. Anscheinend hatte es den Parteileuten nicht gepasst was der Geistliche predigte, denn am 26. März 1935 erschienen gegen 14 Uhr als Beamter des Kreisamtes Schotten Regierungsassessor D. und ein Polizist der Polizeistation Eichelsdorf bei dem damaligen Bürgermeister Hofmann und teilten ihm mit, dass sie Pfarrer Flechsenhaar wegen seiner Äußerungen in der Sonntagspredigt verhören wollten. Da in der Woche davor der Pfarrer von Ranstadt verhaftet wurde, glaubte man dem Beamten nicht und nahm an, dass Pfarrer Flechsenhaar auch verhaftet werden sollte. Die Kunde ging wie ein Lauffeuer durch Ulfa, die Kirchenglocken wurden geläutet und im Nu standen der Hof des Bürgermeisters in der Mittelstraße und die Straße davor bis zum Pfarrhaus mit mehreren hundert Menschen voll. Pfarrer Flechsenhaar musste auf die Bürgermeisterei kommen und wurde dort vernommen. Gerade zum Zeitpunkt als die Vernehmung beendet war, fuhr ein weiterer Wagen mit drei Beamten in Zivil der Giessener Staatspolizei vor der Bürgermeisterei vor. Dies steigerte natürlich erneut die Erregung der Bürger. Bei dem Versuch rückwärts im Hof einzuparken wurde der Wagen von einigen starken Männern hochgehoben. Der Motor lief noch, aber fahren konnte das Auto nicht mehr. Pfarrer Flechsenhaar gelang es weitere Ausschreitungen zu verhindern, indem er sich in den Pfarrhof begab und die Leute aufforderte ihm zu folgen. Dort sangen sie das Lied „Feste Burg“ und beteten. Die Gestapoleute hatten solchen unmissverständlichen Widerstand noch nicht erlebt, waren aber einsichtig genug und brachen die Aktion nach telefonischer Rücksprache mit einer Dienststelle in Darmstadt ab. Die Polizeimaßnahmen in Ulfa hörten für die nächsten Wochen auf und der Kreisleiter der NSDAP kam persönlich nach Ulfa um zu beschwichtigen, da die Ortsgruppe Ulfa einen energischen Bericht abgesandt hatte. Der Kreisleiter teilte Pfr. Flechsenhaar mit, daß politisch nichts gegen ihn vorläge.
Diese Schilderung des Vorfalles ist dem von Pfr. Flechsenhaar selbst niedergeschriebenen Bericht entnommen. (Dokumentation zum Kirchenkampf in Hessen und Nassau, Bd. 3, 1981)
Dass es hinterher für manche Bürger kein böses Nachspiel wegen des „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ gab, ist hauptsächlich der Besonnenheit und der Vermittlung des Bürgermeisters Hofmann zu verdanken.
(Text. G. Stahnke, „Ulfa – Geschichte und Geschichten“, 2011)